Ein beeindruckendes Zeichen für Menschenwürde, Toleranz und Vielfalt sandten am Reformationstag (31. Oktober 2018) rund eintausend Menschen unter dem Motto „Wir sind nicht still“ von Berkenthin aus in die Welt. Gerechnet hatten die Veranstalter, die Berkenthiner Kirchengemeinde und die Gemeinde Berkenthin, im Vorfeld mit rund 300 Teilnehmern.
„Wir sind sehr viele und wir sind nicht still. Ich bin überwältigt und beeindruckt. Das ist die größte Demonstration, die Berkenthin je gesehen hat“, stellte Gemeindepastor Wolfgang Runge nach dem Marsch vom Berkenthiner Amtsgebäude zur Maria-Magdalenen-Kirche fest. „Wir brauchen keine Angstmacherei und Hetze. Gemeinsam sind wir stark“, so Runge weiter. „Es zeigt, dass wir hinhören, aber nicht alles hinnehmen. Schön, dass sich hier heute so viele Leute eingefunden haben“, ergänzte Amtsvorsteherin Iris Runge.
Pröpstin Frauke Eiben, engagiert im „Ratzeburger Bündnis gegen Rechts“, prangerte einen weltweiten Wertewandel an: „Was mir große Sorgen macht ist, dass in unserem Land so ganz nebenbei eine andere Art von Zeitumstellung oder Zeitenwende angebrochen ist. Und leider ist die in Europa fast überall zu spüren. Ich meine das deutliche Abrücken von demokratischen Normen und Grundwerten hin zu einem Nationalismus des „mein Land zuerst“. Tabubrüche, die gesellschaftsfähig werden, das abfällige Reden über Fremde, über Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe, anderen Geschlechts. Abwertende Bemerkungen über Menschen jüdischen Glaubens, 85 Jahre nach der NS-Diktatur und der Shoa werden scheint‘s ohne Zögern ausgesprochen. Die Feindseligkeit gegenüber dem Islam und der offene Hass und die Häme gegen politisch Andersdenkende in den sozialen Medien und auf offener Straße“. Es gehe schon lange nicht mehr um Argumente, sondern um Macht und um Deutungshoheit, so die Pröpstin weiter und forderte die Gesellschaft auf, wieder mehr Menschlichkeit zu zeigen – frei nach Luther und seiner Erkenntnis: „Er hat im Nachdenken über den Glauben die Gnade wiederentdeckt. Er hat entlarvt, dass die Angst vor Hölle, Tod und einem strafenden Gott vor allem dazu dient, die Menschen einzuschüchtern und klein zu halten. Es geht im Glauben nicht um Angst und Strafe. Gott blickt gnädig auf uns und unser Leben; so können wir ebenso gnädig mit anderen Menschen sein. Und nicht nur mit denen, die sowieso zu uns gehören“.
„Ich bin nicht still“, sagte auch Berkenthins Bürgermeister Michael Grönheim im Rahmen der Abschlusskundgebung, „Wenn antidemokratische und rassistische Parolen wieder offen in unseren Parlamenten skandiert werden, dann dürfen wir nicht still sein.“ Bei Rassismus unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung müsse die Justiz durchgreifen, so Grönheim weiter.
Nachdem die Menge nochmals „Wir sind laut“ skandierte, ergriff Pastor Runge erneut das Wort: „Wir sind laut, weil wir Hetze nicht mehr hinnehmen wollen. Wir sind laut, weil wir das Sterben im Mittelmeer nicht mehr hinnehmen wollen. Wir sind laut, weil wir gegen Anschläge sind. Wir sind laut, weil wir es nicht länger hinnehmen wollen, dass besorgte Bürger mit Nazis gemeinsame Sache machen. Es braucht unser Engagement. Wir erheben unsere Stimme, wir sind laut, wir sind viele, wir sind bunt! Wir können nicht die ganze Welt bei uns aufnehmen. Aber als eines der reichsten Länder der Erde können wir einen großen Teil beitragen, Leid zu lindern. Immer wieder werden Menschen in Not gegeneinander ausgespielt. Auch Alleinerziehende, Rentner und Hartz IV-Empfänger brauchen mehr Unterstützung, während die Reichen immer reicher werden – auch dafür sind wir laut. Keine Partei kann für das ganze Volk sprechen. Wir leben in einer offenen Demokratie und das soll so bleiben.“